Feministische Streiks sind seit jeher Katalysatoren für weitreichende Veränderungen in der Gesellschaft. Gemeinsam war ihnen im Laufe der Geschichte vor allem eines: die Anprangerung der aktuellen Verhältnisse und das Ziel, diese zu verändern. Dabei wurde immer klarer, dass sich feministische Streiks nicht nur auf Lohnarbeit richten dürfen, sondern sämtliche Lebensaspekte in ihre Analyse miteinbeziehen müssen.
Auch unser Streik richtet sich nicht nur auf Arbeit, die bezahlt wird, sondern meint explizit auch jene Arbeit, die häufig unbezahlt und im vermeintlich Privaten verrichtet wird: Haushalt, Erziehung von Kindern, Pflege von älteren Ängehörigen, emotionale Arbeit. Diese Arbeit ist notwendig, damit die Gesellschaft funktioniert und damit Arbeitskraft reproduziert wird. Deshalb wird sie auch “Reproduktionsarbeit” bzw. “Care Arbeit” genannt. Nach wie vor wird diese Art der Arbeit weiblich gelesenen Personen zugeschrieben und als deren Natur festgelegt, weil sie dafür vermeintlich besonders geeignet erscheinen.
Daraus ergibt sich eine gesellschaftliche Geschlechter-Rollenverteilung, die Frauen den Männern unterordnet. Letztere verrichten nämlich größtenteils nach wie vor “wichtigere”, sprich entlohnte Arbeit, die mehr Profit bringt und damit meist die hauptsächliche Lebensgrundlage für Haushalte darstellt. Gewalt an Frauen und weiblich gelesenen Personen bis hin zum Femizid schreibt sich von Grund auf in diese vergeschlechtlichte Arbeitsteilung ein, da Frauen bzw. weiblich sozialisierte Personen aufgrund ihrer Rolle als Besitz wahrgenommen werden, die dem hart arbeitenden Parnter oder Ehemann keinen Kummer bereiten dürfen.
Der Aufstieg neoliberaler Politiken hat die “traditionelle” Geschlechterordnung in den letzten Jahrzehnten nur scheinbar aufgebrochen. In der neoliberalen Ideologie sind es nämlich nicht mehr nur Männer, die sich bis zu 60h pro Woche für das Kapital abarbeiten dürfen, sondern auch Frauen und genderqueere Personen. “Freiheit” bedeutet demnach also Selbstverwirklichung durch Lohnarbeit, in die jetzt alle eingegliedert werden ohne das ausbeuterische System dahinter anzugreifen oder die gesellschaftlichen Strukturen zu verändern. Die Konsequenz daraus ist, dass bereits Privilegierte davon profitieren und alle anderen auf der Strecke bleiben. Zudem passieren immer mehr Angriffe auf das Gesundheits- und Sozialsystem, das in Form von Privatisierungen ausgehölt wird und zunehmend schlechtere Arbeitsbedingungen aufweist. Mit den Privatisierungen sollen Profite für wenige erzielt werden, die auf Kosten von vielen beruhen. Noch dazu gibt es immer weniger staatliche Leistungen für Bedürftige, wie z.B. Pensionist*innen, Kranke und Arbeitslose. Frauen bzw. weiblich gelesene Personen sind die ersten, die unter diesen Entwicklungen leiden: Als Mütter, die in vielen Fällen alleine für Haushalt und Kinder verantwortlich und oft auf staatliche Versorgungsleistungen angewiesen sind, und als prekarisierte Arbeitnehmer*innen, die sich kaum einen Lebensunterhalt leisten können, weil sie trotz bezahlter Arbeit zu wenig Einkommen haben, um vollständig an der Gesellschaft teilhaben zu können.
Ein “Feminismus”, der die Lebensrealitäten von Alleinerzieher*innen, migrantischen Personen und Menschen in sozial schwierigen Lebenslagen ausblendet und sich stattdessen nur auf Karriere- und Aufstiegsmöglichkeiten für vor allem weiße, wohlhabende Frauen konzentriert, ist nicht unser Verständnis von Feminismus. Wir streben eine ganzheitliche gesellschaftliche Veränderung von Produktions- und Reproduktionsverhältnissen an. Das heißt: Eine völlige Neuorganisation von Lebens- und Arbeitsverhältnissen in ein kollektiveres Miteinander, das weniger auf Konkurrenz und mehr auf Kooperation ausgerichtet ist!
Die Corona-Pandemie der letzten Jahre hat die Situation noch einmal deutlich verschärft. Insbesondere Frauen und andere Personen mit Kinderbetreuungspflichten waren auf einmal damit konfrontiert, unzählige Rollen erfüllen zu müssen: Sie sollten zugleich Mütter, Partner*innen, Erwerbstätige, Lehrer*innen, Kindergartenpädagog*innen, Betreuer*innen, Pfleger*innen, Köch*innen, Haushälter*innen und Spielpartner*innen sein. Diese unbewältigbare Belastung hat bei vielen zu Überforderung geführt, die allerdings nicht als kollektives, sondern individuelles Problem verhandelt wurde. Weil sich die Politik hier nicht in der Verantwortung sah und kollektive Lösungen fehlten, wurde der Druck vor allem für Personen im Pflege- und Gesundheitsbereich, im Erziehungs- und Bildungswesen sowie in der Sozialarbeit immer größer – diese “systemrelevanten” Bereiche mussten nämlich weiter funktionieren. Trotzdem werden staatliche Versorgungsleistungen immer weiter gestrichen oder gekürzt – stattdessen fließt mehr Geld in Form von “Wirtschaftshilfen” an Unternehmen.
Die so entstehenden Versorgungslücken werden auch in Österreich zunehmend von migrantischen Frauen gefüllt: Während das Personal im öffentlichen Dienst reduziert wird, setzt man im privaten Haushalt immer mehr auf migrantische Arbeiter*innen. Insbesondere Pflege- und Haushaltsarbeiten werden oft von Frauen ohne europäische Zugehörigkeit verrichtet, deren Aufenthaltstitel an den Zugang zu Arbeit gebunden ist. Viele von ihnen arbeiten in der Folge in illegalisierten Arbeitsverhältnissen, sind arbeitsrechtlich nicht abgesichert und werden mit einem kaum existenzsichernden Lohn ausgebeutet.
Reproduktionsarbeit wird also weiterhin nicht zwischen den Geschlechtern aufgeteilt, sondern aus globaler Perspektive zwischen den Frauen der Mittelschicht und rassistisch oder sozial benachteiligten Frauen (und zum Teil auch Männern). Darauf macht u.a. die österreichische Interessensgemeinschaft der 24-Stunden-Betreuer*innen IG 24 aufmerksam. (Link auf deren Kämpfe)
Wir wollen der angeblichen Sorglosigkeit des Kapitalismus und rassistischen Diskursen zu Schutz und Sicherheit nationaler Grenzen ein Ende setzten. Wir fordern deshalb eine sorgsame Gesellschaft für alle – eine Gesellschaft, die nicht auf der Ausbeutung und Ungleichheit von vermeintlich „Anderen“ beruht!
Mit der zunehmenden Prekarisierung des Lebens und der damit zusammenhängenden alltäglichen Unsicherheit sind rechtsextreme Anschläge und die Zahlen der Gewalt an Frauen und genderqueeren Personen gestiegen. Sie sind vermehrt von psychischer und physischer Gewalt im privaten wie im öffentlichen Raum betroffen. Diese Gewalt muss benannt werden, und zwar als maskuline und/oder rechtsextreme Gewalt, die mit unseren ökonomisch bestimmten Lebensbedingungen Hand in Hand geht. Es handelt sich hier um ein strukturelles Problem: Die Gewalt geht von Personen aus, die in unserer patriarchalen Gesellschaftsordnung bevorteilt sind und mehr Macht haben. Diese Personen sind fast ausschließlich männlich. Männer sind beispielsweise in wichtigen politischen Ämtern überrepräsentiert und in männlich dominierten Berufen werden (viel!) höhere Löhne bezahlt als in sogenannten “Frauenberufen”. Die Gewalt richtet sich gegen Personen, die als Frauen und “verweiblichte” Menschen ökonomisch benachteilt und diskriminiert werden. Mord an Frauen, weil sie Frauen sind, nennt man Femizid, und er ist die Spitze der Gewalt gegen Frauen.
Europaweit ist Österreich bei Femiziden trauriger Spitzenreiter. Jeden Monat werden hier durchschnittlich 2-3 Frauen von einem Mann aus ihrem nahen Beziehungsumfeld ermordet. All diese Morde sind keine Einzelschicksale, sondern haben System. Mechanismen patriarchaler Gewalt wirken sich jeden Tag auf unterschiedliche Art und Weise auf unser Leben aus. Ob in der Arbeit, in der Schule, an den Unis, in unseren Beziehungen und Freundschaften und im Alltag, überall erfahren marginalisierte Geschlechter tagtäglich, was es heißt vom Patriarchat abgewertet, erniedrigt, angegriffen, geschlagen und vergewaltigt zu werden.
Neben Frauen sind vor allem genderqueere Personen überproportional von patriarchaler Gewalt betroffen. Zu Gewalt gegenüber letzteren fehlt aber nach wie vor eine Statistik. Wer die patriarchale Norm nicht erfüllt und noch dazu Binaritäten aufbricht, ist in besonders großer Gefahr. Genderqueere Personen sind Teil des feministischen Kampfes und daher lehnen wir einen Feminismus, der trans-, non-binäre, inter- und agender-Personen ausschließt, konsequent ab.
Mit dem F*STREIK wollen wir unsere Ohnmacht gegenüber dem Leben und den gewaltvollen Verhältnissen unserer Gesellschaft umkehren. Wir wollen als politisches Subjekt anerkannt werden! Wir wollen uns Gehör und Sichtbarkeit verschaffen!
Wir wollen streiken, weil wir massenhaft sabotieren wollen, was uns jeden Tag niederzwingt. Der feministische Streik ist deshalb kein punktuelles Ereignis – Streik ist ein Prozess. Gesellschaftliche Veränderung muss nachhaltig passieren und das erfordert Zeit: Die Zeit des Streiks ist eine Zeit der Organisation, in der Gespräche geführt werden und wir uns gemeinsam überlegen, welche Handlungen wir setzen müssen, um eine langfristige Perspektive der Veränderung zu entwickeln, die alle mit einschließt.
Gerechtigkeit kann nicht in einer Welt umgesetzt werden, in der der Kapitalismus vorherrscht und nur wenige ganz viel besitzen. Sie setzt eine Gesellschaft voraus, in der das Leben eines jeden menschlichen Wesens zählt und die Grundbedürfnisse aller Menschen anerkannt und bedingungslos gesichert werden. Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der jede Art von Arbeit gleich viel wert und gerecht aufgeteilt ist – ohne einem bestimmten Geschlecht oder einer sozialen Gruppe zugeschrieben zu sein. Wir kämpfen für eine Welt, in der Frauen und marginalisierte Geschlechter keine Angst vor Gewalt haben müssen und in der niemand um die eigene Existenz fürchten muss.
Es scheint unmöglich, deshalb ist es nötig!
Organisieren wir uns gemeinsam gegen das kapitalistisch-patriarchale System – auf zum feministischen Streik!