Der Covid-Ausbruch im März 2020 war für viele Menschen in Westeuropa die erste erlebte kollektive Krisenerfahrung. Die Möglichkeit des Verlust der vermeintlichen “Normalität” ist vielen Neu. Wann wird endlich wieder alles “normal”? Kann nicht alles wieder so werden wie “vorher”? Wann kann ich wieder, wann können wir wieder, wann wird wieder… “so war es früher”, “so war es immer”, “so wünsch ich es wieder”, “so soll es wieder sein”. Die Zeit ohne Corona ist Vergangenheit. Wir leben jetzt mit Corona weiter, die Frage ist wie und wo wir uns positionieren werden.
Ihr kennt die Bilder, die Plakate, die Reden auf sogenannten “Anti-Corona” Demos. Eine toxische Mischung aus Sozialdarwinismus, Verschwörungstheorien, Rechtsnationalismus und deren ständigen Begleiter: Antifeminismus. Wer an Corona stirbt, stirbt nicht aus Schwäche. Sondern an einem Virus. Ein Virus, das menschengemachte Ungerechtigkeiten offenlegt, und besonders dort gut verbreitet wird und zu Tod führt, wo Menschen in Ungerechtigkeit leben. Gerade die armen und schon diskirminierten Gruppen trifft es am meisten! Sich mit ihnen zu solidarisieren, ist Anerkennung von Ungerechtigkeiten. Ist Fürsorge. Ist lebensbejahend. Ist nicht zuletzt herausfordernd. Für Rechtsextreme und Esoteriker*innen ist diese Sorge um das Leben Anderer eine Schwäche. Sie passt nicht in das Bild des Recht des Stärkeren, in das Bild des “harten Mannes”, des “männlichen Krisenbewältigers”, der autoritären und patriarchalen Herrschaft und esoterischen Ich-bezogenen Selbst-Heilvorstellungen.
Wir finden, die Sorge um das Leben der Anderen, Fürsorge, ist nicht hysterisch, nicht panisch, nicht ängstlich, nicht verweichlicht, nicht “verweiblicht”. Fürsorge ist eine anti-kapitalistische, anti-neoliberale, anti-faschistische Praxis. Fürsorge ist auch eine feministische Praxis. Fürsorge in Communities ist wichtig, um stabile soziale Netze zu knüpfen, in denen Menschen sich austauschen können, Rückhalt und Solidarität erfahren und sich empowern.
Aber Frauen* sind nicht “von Natur” aus “fürsorglicher”. Die Tatsache, dass der Gro?teil des Pflegepersonals Frauen* sind, ist kein Zufall. Die Tatsache, dass die Löhne im Pflegebereich unterirdisch sind, ist kein Zufall. Hier zeigt sich systematische Abwertung von Frauen. Die fehlende Anerkennung von Fürsorge-Arbeit in unseren Gesellschaften, die über Jahrhunderte zurück geht. Die Rollenverteilung zwischen “Männern” und “Frauen” die kulturell bedingt ist und nicht “natürlich”. Jeder kann fürsorglich sein. Und Feminismus ist für alle da. Die Idee der Gleichstellung der Geschlechter beinhaltet auch immer die Gleichstellung aller Menschen, egal wie sie lieben, egal wie ihre Körper beschaffen sind, egal woher sie kommen oder wo sie leben. Diese Gleichstellung ist das Gegenteil von Antisemitismus, Verschwörungstheorien, Rassismus und Heteronormativität. Oft überhörter ständiger Begleiter von verschiedenen Ausprägungen von Menschenfeindlichkeit ist daher immer auch Anti-Feminismus.
Von den Bühnen der Corona-Kundgebungen tönen der Hass auf “Andere”, die Angst vor “Fremden”, die Überzeugung vom vermeintlichen Geburstrecht auf ein privilegiertes Leben, die Sehnsucht nach Abgabe von Verantwortung für Andere, der Ruf nach starker Hand, Autorität, staatlichen und nationalen Lösungen. Mit dabei immer die Bestärkung und Verstrickung von Nation und klassischer Kernfamilie:Mutter, Vater, Kindern. Andere Familienmodelle, Lebensentwürfe, Sexualitäten, Perspektiven Alleinerziehender oder LGBTQIA Eltern werden nicht repräsentiertund akzeptiert. Es ist daher auch kein Zufall, dass in Wien eine Regenbogenflagge zerrissen wurde.
Der Wunsch und die Sehnsucht nach “Normalität”, die auf den sogenannten Corona-Demos angesprochen wird, beziehen sich nicht nur auf die Zeit vor Corona. Sie bedienen den Wunsch nach einer einfachen, übersichtlichen Welt. Eine Welt, in der Menschen nicht gleichgestellt sind. Eine Welt der Restitution kolonialer, weißer, hetero und cis- Privilegien. Eine Welt, in der FLINT und LGBTQUIA Personen keine Stimme haben, unsichtbar sind. Eine Welt in der all das, wofür die Regenbogenflagge steht, nicht mehr existieren soll.
Aber wir existieren. Wir sind hier. Wir sprechen. Hört uns zu. Wenn wir jetzt sagen, wir wollen nicht zurück zur “alten Normalität”. Wir haben keine Lust mehr auf Heteronormativität, auf das Patriarchat. Auf Hass und Spaltung. Wir wollen keinen Nationalismus. Wir wollen die neoliberale Freiheit nicht. Wir wollen keinen autoritären Staat. Wir lehnen das vermeintliche Recht der Stärkeren ab. Wir wollen diese “Normalität” nicht. Wir wollen nicht, dass alles wieder so wird, wie es war. Oder so bleibt, wie es ist.
Wir wollen Gleichberechtigung/Gleichstellung der Geschlechter. Wir wollen Anerkennung diverser Sexualitäten. Wir wollen Selbstbestimmung und Solidarität. Wir träumen von Leben und Würde. Von Anerkennung von Differenz und Diversität. Von Fürsorge und stabilen Communities. Von ökologischer Transformation. Von sozialen und solidarischen Lösungen in der Pandemie. Von kreativen Lösungen, verantwortlich mit dem Leben anderer umzugehen und gleichzeitig sozial zu sein. Wir wollen Veränderung.