Wir waren heute beim Klimastreik dabei, um unsere Kämpfe miteinander zu verbinden – denn was auf den ersten Blick vielleicht getrennte Themen zu sein scheinen, ist in Wahrheit zutiefst miteinander verwoben. Die Klimakrise wurzelt in historisch miteinander verbundenen Unterdrückungs- und Ausbeutungssystemen: Patriarchat, Rassismus, Kapitalismus, Kolonialismus, aber auch Speziesismus. All die vielfältigen Verstrickungen aufzuzeigen, ist schier unmöglich, aber um ein paar Beispiele zu nennen:
Während zu den meisten politischen Themen vor allem die Meinung von weißen Cis-Männern gefragt ist, so zeigt sich bei Kämpfen um Klimagerechtigkeit ein anderes Bild: Vor allem weiblich gelesene Personen sind im zivilgesellschaftlichen Bereich überdurchschnittlich präsent, wenn es um Aufklärungsarbeit und Aktivismus für das Klima geht. Dabei zeigen sich verdeckt patriarchale Strukturen: FINTA* (d.h. Frauen, Inter-, Non-binäre, Trans*-Personen) leisten Care-Arbeit – auch das Kümmern um die Erde ist Care-Arbeit. Wie es die Aktivistin Jennifer Haudeweh formuliert: „Wir sind die Töchter, die ihre kranke Mutter retten sollen.“ Freiwillig, unter- oder unbezahlt und immer an den Grenzen unserer Kraft. Dies liegt nicht daran, dass FINTA* bessere Menschen sind – allerdings werden wir sozialisiert, Empathie und Rücksicht zu zeigen und uns eben zu kümmern. Was jedoch nötig wäre, ist eine Vergemeinschaftung von sozialer und ökologischer Sorgeverantwortung.
Auch im Globalen Süden sind es vor allem FINTA*, die die Sorgearbeit für ihre Familien übernehmen – in Bezug auf z.B. Nahrung, Haushalt oder Kleidung. Dürren, Verschmutzung von Luft und Wasser oder Ausbeutung von Land durch den Globalen Norden bekommen sie deutlich zu spüren. Laut einer Studie sind 80% der Personen, die aufgrund von Auswirkungen der Klimakrise flüchten müssen, weiblich gelesene Personen. Veränderte Klimasituationen und extreme Wetterbedingungen betreffen zudem vor allem Personen mit unsicherer Wohnsituation. Dazu gehören Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität flüchten bzw. ihr zu Hause verlassen mussten und aufgrund struktureller Diskriminierung nur schwer ein sicheres Zuhause finden können oder sogar in menschenunwürdigen Camps wie z.B. Moria ausharren müssen.
Die Corona-Krise hat gezeigt, welche Auswirkungen eine Krise auf die Gesellschaft hat: geschlechtsspezifische Gewalt nimmt zu. Vor allem FINTA* sind einer massiven Belastung ausgesetzt, da Care-Arbeit in krisenhaften Zeiten überhandnimmt, während die Herausforderungen des Alltags für insbesondere unprivilegierte Menschen ebenfalls nicht Halt machen.
Die Klimakrise geht uns alle an – allerdings bekommen wir sie nicht im gleichen Ausmaß zu spüren, tragen nicht gleich viel dazu bei und sind auch nicht gleichermaßen an Entscheidungen über potenzielle Lösungen beteiligt. Um gegen die Klimakrise vorgehen zu können, müssen wir feministische, antirassistische und antiklassistische Anliegen mit den Kämpfen um Klimagerechtigkeit verbinden und die beschriebenen Machtstrukturen, die Menschen, Tiere und Natur ausbeuten, in ihren Grundfesten erschüttern.
Ob wir nun Care-Arbeit, Lohnarbeit oder Schule bestreiken, Blockaden aufbauen, Demonstrationen planen, neue Konzepte des Zusammenlebens entwerfen, Bildungs- und Aufklärungsarbeit leisten oder Protestaktionen durchführen – lasst uns die Klimakrise nicht vereinzelt auf individueller, sondern gemeinsam auf kollektiver Ebene bearbeiten. Wir sagen nochmal deutlich:
Kein Feminismus ohne Klimagerechtigkeit und keine Klimagerechtigkeit ohne Feminismus.