Im Laufe der Geschichte von Arbeitskämpfen wurden und werden die prekären Bedingungen der Lohnarbeit bereits vielseitig bestreikt. Der feministische Streik richtet sich jedoch nicht nur auf die im Zuge von Arbeiter*innenbewegungen zentral thematisierte Lohnarbeit, sondern rückt Reproduktionsarbeit und ihre gesellschaftsstabilisierende und -reproduzierende Bedeutung ins Zentrum. Die argentinische Soziologin Verónica Gago spricht bei dieser Art von Streik von einer gezielten Vorgehensweise und dem Aussetzen von Tätigkeiten, die gesellschaftlich, aber auch politisch und ökonomisch unsichtbar gemacht werden und erst durch ihre radikale Verweigerung Raum in der öffentlichen Wahrnehmung einnehmen. Sowohl die strikte Trennung, als auch die Hierarchisierung, die zwischen Produktionsarbeit und Reproduktionsarbeit hergestellt wird, gilt es zu brechen, um eine kollektive und gerechte Organisierung von gesellschaftlichen Aufgaben zu bewirken.
Neoliberale Entwicklungen haben dazu geführt, dass allen voran weiße und privilegierte FLINTA*Personen neben ihrer durch den Kapitalismus historisch zugewiesenen Zuständigkeit für Reproduktionsarbeit heute auch einer Lohnarbeit nachgehen können. Die geschlechtliche Arbeitsteilung wurde dadurch jedoch nicht aufgehoben, sondern organisiert sich heute entlang rassistischer und klassistischer Strukturen. Es sind nach wie vor vorwiegend FLINTA*Personen, die Care-Tätigkeiten übernehmen – allerdings meist ökonomisch benachteiligte Personen mit Migrationshintergrund. Die daraus resultierende „Global Care Chain“ setzt sich dadurch zusammen, dass diese als Entlastung für FLINTA*Personen in ökonomisch privilegierten Ländern zum Einsatz kommen, ihnen Betreuungs-, Pflege- und Haushaltsaufgaben abnehmen und großteils unter prekärsten Bedingungen die Arbeit erledigen müssen, die unsere Gesellschaft am Laufen hält. Zusätzlich entsteht dadurch häufig eine Versorgungslücke in den Herkunftsländern, die dort auch wieder vor allem durch die Aufopferung von FLINTA*Personen geschlossen wird. Diese Verhältnisse werden bewusst verschleiert – dadurch, dass Care-Arbeit ins Private gedrängt und politisch kaum thematisiert wird und der auf der Ausbeutung anderer aufgebaute Zugang einer privilegierten Gruppe von FLINTA*Personen zu Lohnarbeit als vollendete Emanzipation verkauft wird.
Um die Vielfältigkeit der Unterdrückungsmechanismen, die hier zusammenwirken, beleuchten zu können, braucht es eine intersektionale Betrachtungsweise. Intersektionalität gilt als Konzept, das die Überschneidung und Gleichzeitigkeit von verschiedenen Diskriminierungskategorien (wie z.B. Rassismus, Sexismus, Klassismus, Ableismus, Lookismus, etc.) aufzeigen soll. Obwohl das Konzept mittlerweile selbst in liberal-feministischen Diskursen angekommen ist, wird es dort jedoch häufig von seinem ursprünglich antikapitalistischen Anspruch entkoppelt. Bereits die Schwarze Feministin bell hooks betonte, dass in Rassimus- und Genderdiskursen die Thematisierung der Klassengesellschaft häufig ausgeblendet wird. Intersektionalität darf also nicht als Instrument missbraucht werden, um lediglich Hierarchien und Machtposten bunter und diverser zu gestalten, sondern muss wieder in seinem Ziel eingebettet werden, auch eine Änderung der Klassenverhältnisse anzustoßen.
Nur wenn Arbeitskämpfe, Klassenkämpfe und Feminismus zusammengedacht werden, ist es möglich, kapitalistisch-patriarchale Verhältnisse in ihren Grundfesten zu erschüttern. Wir kämpfen dafür, dass unsichtbare, abgewertete Formen der Arbeit und Tätigkeiten, die überhaupt nicht als Arbeit wahrgenommen werden, endlich anerkannt werden. Darüber hinaus wollen wir eine Welt, in der keine Klasse schuftet und ausgebeutet wird, um den Luxus einer anderen Klasse immer wieder aufs Neue herzustellen.
“Um den Klassenkampf voranzutreiben, braucht es eine kollektive und intersektionale Organisierung – nicht nur am 1. Mai, sondern jeden Tag. Kein Arbeits- und Klassenkampf ohne Feminismus, kein Feminismus ohne Arbeits- und Klassenkampf!“