Business Woman, Girlboss, Top-Girl, Karrierefrau – der Mainstream-Feminismus, mit dem wir heute konfrontiert sind, scheint den Widerspruch zwischen emanzipatorischen und marktorientierten Forderungen einzudämmen. Was sich dahinter verbirgt, ist jedoch eine Abstumpfung feministischer Kritik – weg von den problematischen Gesellschaftsverhältnissen und hin zur Arbeit am eigenen Selbst.
Neoliberal vereinnahmter Feminismus ist zunächst geprägt von starker Individualisierung – es geht darum, das eigene Empowerment voranzutreiben, sich selbst zu verwirklichen, den eigenen Körper fit und arbeitsfähig zu halten, karrieretechnisch aufzusteigen und unternehmerisch denken zu lernen. Was Solidarität sein könnte, wird zu effektivem Networking zusammengeschrumpft – im Vordergrund steht, andere für den eigenen Vorteil nutzbar zu machen. Das ökonomische Idealbild des homo oeconomicus – rational, nutzenorientiert, fit, männlich, weiß, bürgerlich – wird im Neoliberalismus keineswegs in Frage gestellt, sondern bekommt lediglich einen feministischen Deckmantel übergestülpt. Unternehmerisches Denken bezieht sich im Neoliberalismus nicht nur auf Arbeit und Ausbildung – vielmehr soll es das ganze Leben durchdringen, d.h. auch das Selbst und Beziehungen und Freundschaften, die einer Kosten-Nutzen-Rechnung unterzogen werden.
Ein Beispiel für die Individualisierung gesellschaftlicher Probleme ist die sogenannte “Work-Life-Balance” – einer der Begriffe, der Frauen und weiblich gelesene Personen auf Schritt und Tritt begleitet. Stressempfinden und Zeitknappheit werden nicht als einer kapitalistischen Gesellschaft inhärente Aspekte, sondern als Persönlichkeitsschwäche und Resultat von mangelndem Zeitmanagement präsentiert, die es für “erfolgreiche Frauen” zu optimieren gilt. Dass der Zugang zu Zeitressourcen unter den Geschlechtern ungleich verteilt ist und ein Arbeitstag für Frauen bzw. weiblich gelesene Personen nicht mit dem Nachhausekommen endet, wird damit verschleiert.
Die propagierte Eigenverantwortung geht Hand in Hand mit dem neoliberalen Umbau der Gesellschaft, im Zuge dessen soziale Absicherungern und das strukturell verankerte Sich-Kümmern umeinander ausgehöhlt werden. Ziel dieser Privatisierungstendenzen ist, das Wüten der Märkte zu erleichtern und durch z.B. Abbau von gesetzlich verankertem Arbeitsschutz Arbeiter*innen “flexibler” für die Kapitalakkumulation einsetzen zu können. Aufgrund ihres geringeren Einkommens sind Frauen und weiblich gelesene Personen besonders auf soziale Absicherungssysteme, die im Neoliberalismus abgebaut werden, angewiesen. Durch die Reduktion öffentlicher Dienstleistungen werden viele Arbeiten zudem in den Privatbereich, der vor allem von Frauen geschupft wird, verlagert. Viele von ihnen, die es sich leisten können, delegieren diese Tätigkeiten anschließend an weniger privilegierte Migrant*innen (siehe auch: Global Care Chain).
Mithilfe des Konzepts von “Diversity” sollen Frauen und insbesondere auch genderqueere Personen die Möglichkeit erhalten, in Führungsetagen und Regierungspositionen aufzusteigen. Der identitätspolitische Wandel feministischer Anliegen hat neoliberalen Tendenzen allerdings letztendlich in die Hände gespielt. Macht- und Herrschaftsverhältnisse können ungestört in Takt bleiben, während ein paar vormals Ausgestoßene nun mit am Tisch der Macht sitzen und an der Ausbeutung anderer teilhaben dürfen.
Uns geht es nicht darum, einen Platz am Tisch zu erhalten – sondern den Tisch an sich zu zerstören. Im feministischen Streik verbinden sich queere mit materialistischen Ansätzen und zeigen auf, dass die Dekonstruktion dessen, was Geschlecht bedeutet und der Kampf gegen die bestehende ökonomische Funktion vergeschlechtlicher Arbeitsteilung sich keineswegs ausschließen müssen. Um gegen neoliberale Vereinnahmung vorgehen zu können, bedarf es des Eingeständnisses, dass auch unsere Forderungen so sehr verändert werden können, dass sie dem bestehenden System in die Hände spielen. Selbstkritik ist daher unerlässlich für alle feministisch Aktiven. Den feministischen Kampf weiterhin mit Radikalität zu führen, funktioniert nur, wenn feministische Forderungen eingebettet bleiben in eine fundamentale Gesellschaftskritik.